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<  Better late than never: IFGP 16 reviews
stadtgorilla
BeitragVerfasst am: So, 28 Aug 2016 - 11:03  Antworten mit Zitat
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Anmeldungsdatum: 04.04.2011
Beiträge: 785

Hallo, ich bin auch mal wieder hier;-

Ich habe lange nicht mehr wirklich viel Zeit auf IF verwenden können außer ein bisschen Zork 2 hier und da, habe letztens aber mal ein paar Siegertitel der xyzzy-Awards gespielt und war positiv überrascht; jetzt habe ich auch alle vier Titel des Grand Prix gespielt.

Ich habe mich dazu entschlossen, alle Titel in einem zusammenhängenden Text zu behandeln, weil ich eher das Gesamtfeld bewerten möchte.

Leider konnte mich keins der eingereichten Spiele wirklich fesseln; literarisch ist bei keinem der Titel viel zu holen, und spielerisch wurde ich leider auch nicht überzeugt. Ohne den Autor*innen zu Nahe treten zu wollen, hier im Einzelnen:

Tag der Toten:

Zombie-Setting im Krankenhaus von der Stange inklusive Amnesie; vom Schreibstil her dachte ich, das ist so auf Groschenroman-Level und –schau an- der Autor hat schon mehrere Pfund von Fantasy- und Horror-Schwarten veröffenlicht; einigermaßen stimmungsvoll ist’s trotzdem, wenngleich ich vermute, dass dieses Spiel als Parserspiel wesentlich besser funktionieren würde als als multiple choice. Den flapsigen, die vierte Mauer durchbrechenden Humor, der an jeder Ecke lauert, fand ich eher unwitzig. Den Cliffhanger auch eher so mäßig.

Schurkenalarm!:

Auch hier lungert der Humor zwischen den Bäumen herum, passt aber besser ins Setting, das mir prinzipiell sogar ganz gut gefallen hat. Leider gibt’s keine wirklichen Wahlmögllichkeiten außer success oder failure, was besser zu verschmerzen wäre, wenn man zu Savepoints zurückspulen könnte, was zumindest bei mir leider nicht ging. Im Ganzen gefiel mir das Spiel aber besser als Tag der Toten. Auch hier nach kurzem Spiel ein ziemlicher Cliffhanger.

Emilia W:

Wenn Tag der Toten als Parser besser funktioniert hätte, trifft hier das Gegenteil zu: dank unzureichender Beschreibung und Implementierung ist vieles ohne Walkthrough nicht lösbar oder verständlich. Die Story versucht sich an einer typischen unfreiwillige Zeitreise-Trope, ohne dann wirklich interessantes oder stimmungsvolles zu präsentieren außer einem leeren Pfarrhaus; hier scheint die Zeit gedrängt zu haben, vielleicht hätte man sich mit Multiple Choice mehr auf die Geschichte konzentrieren können, die gegebenen Puzzles machen m.E. einen Parser nicht unbedingt notwendig. Leider ist auch der Schreibstil nicht wirklich der Immersion dienlich, das liest sich meist wie ein Schulaufsatz, und dann wird die Atmosphäre auch bald durch absurde Puzzles wie das mit dem Notenblatt und die generell nicht optimale Implementierung konterkariert.

Odin City:

Für mich der traurige Gewinner eines leider recht schwachen Teilnehmerfeldes, dank Bonus für Enthusiasmus und vermuteter Jugend der Autor*innen (anhand Schreib- und Zeichenstil). Im ersten Moment dachte ich, die beiden Herren Baltes und Schüller hätten sich einen Pseudonym-Scherz erlaubt, aber ich halte das Spiel für genuin;-) Man gab sich reichlich Mühe, Atmosphäre zu schaffen; das eigentliche Setting wird zwar überhaupt nicht erklärt, Sinn und Kohärenz ist nicht im Überfluss vorhanden, aber spürt man ein wenig Herzblut, was ich bei den anderen Spielen im Felde eher vermisst habe. Sicher auch kein tolles Spiel, aber in diesem Umfeld gewinnt für mich dann der Enthusiasmus.

Meine persönliche Rangliste wäre:

1) Odin City

2) Schurkenalarm!

3) Tag der Toten

4) Emilia W

Zusammengenommen leider eher mau, was da so rumkam dieses Jahr: Zwei Mal Groschenroman-Multiple Choice-Test mit Cliffhanger, ein Mal suboptimal implementierter Sakralspaziergang, ein Mal Fantasy-Mischmasch mit Kinderzeichnungen aber Herzblut. Schade, da war ich grad so angefixt von „Brain Guzzlers From Beyond“. Vergleicht man den GP 2016 gemeinerweise mit den xyzzy-Gewinnern vom letzten Jahr, wird schon eine ziemliche Schere offenbar. Keins der beim GP eingereichten Spiele reicht jeweils für eine Empfehlung meinerseits, und das war schon mal anders. Gewonnen haben zwei Spiele eines neuen Autors, der sich sonst in der Trivial-Fantasy und -Horror-Literatur bewegt, man muss abwarten, ob die versprochenen Fortsetzungen denn überhaupt erscheinen oder sich der Autor mehr Resonanz erwartet hätte, sonst scheint er ja recht schnell zu schreiben. Aber das ist nur meine persönliche zugegebenermaßen sehr zynische Einschätzung.

Warum gab's dieses Jahr kein wirklich überzeugendes Spiel? Man könnte mal wieder mangelndes Interesse der Öffentlichkeit ins Feld führen; da hat man sich jahrelang bemüht, ein wenig Resonanz zu erzeugen, aber gefühlt ist das eher noch schlimmer geworden die letzten Jahre. Paul Bennet und die schwarze Linie vom letzten Jahr wären ja doch erwähnenswert, aber außerhalb dieses Forums meines Wissens nirgendwo passiert. Vielleicht war’s auch einfach nur mal ein schlechter Jahrgang, und jemand werkelt insgeheim schon am großen Wurf, der nächstes Jahr erscheint, ich lasse mich da gerne eines besseren belehren und hoffe, nicht zu entmutigend pontifiziert zu haben.
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Herr Rau
BeitragVerfasst am: So, 28 Aug 2016 - 16:15  Antworten mit Zitat
Wasserträger
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Anmeldungsdatum: 07.04.2012
Beiträge: 52
Wohnort: München

Danke für den Überblick!
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Hannes
BeitragVerfasst am: Di, 30 Aug 2016 - 19:01  Antworten mit Zitat
Experte
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Anmeldungsdatum: 25.03.2010
Beiträge: 660

Ja, allerdings, warum nicht auch jetzt noch? Ich frage mich immer wieder, warum von einem Tag zum anderen Spiele plötzlich nicht mehr von Interesse sein sollen, nur weil irgendein Wettbewerb zu Ende ist.

Inhaltlich kann ich mich dem meisten anschließen. Gegen Groschenromane habe ich prinzipiell nichts, die können sehr unterhaltsam sein. Von von vornherein auf Serienproduktion ausgelegte Spiele halte ich dagegen wenig. Klappt selten gut. Und wenn ich Emilia W. und Odin City vergleiche, hast du den Nagel meines Erachtens auf den Kopf getroffen: Das eine mit unbändigem Enthusiasmus, der stellenweise weit übers Ziel hinaus schießt, das andere mit solider Handwerkskunst, aber relativ geringem Selbstanspruch. Dass meine subjektive Rangliste nachher genau andersherum ausfällt, ist dabei eigentlich egal, denn die Beobachtungen teilen wir. Welchen der beiden Extreme man nun prinzipiell stärker gewichtet, bleibt ja jedem selbst überlassen. Recht schön fand ich bei Emilia das Rätsel mit der Mauer, bei dem mich das Spiel mit guten Formulierungen zu der Lösung des Fassproblems führte. Dass es danach etwas qualitativ faserte, sehe ich allerdings auch so.

Du weißt selbst, wie viel Arbeit es ist, ein umfangreiches Spiel zu machen. Allein schon rein handwerklich. Wenn es dann auch noch spielerisch und inhaltlich kreativ sein soll, braucht man eine Menge Muße, Geduld und gute Mitstreiter. Und du sagst es ja: Öffentliches Interesse existiert praktisch nicht. Der Weg bleibt also das Ziel. Marketingmenschen gibt es in unseren Zirkeln anscheinend nicht (ich persönlich mache nichts, meine Spiele zu bewerben, wüsste aber auch gar nicht wie und wo). Wobei sich da jeder auch an die eigene Nase fassen muss – dein Feedback zum GP 2015 steht ja auch noch aus. Besser spät als nie ;)
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stadtgorilla
BeitragVerfasst am: Di, 30 Aug 2016 - 22:56  Antworten mit Zitat
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Anmeldungsdatum: 04.04.2011
Beiträge: 785

Stimmt...2015...ich werde mich vorarbeiten.

Das Fassrätsel fand ich übrigens gar nicht gut, wenn ich mich richtig entsinne, kann man die Dinge nur in bestimmter Reihenfolge stapeln, was nicht erklärt wird und willkürlich ist, das Fass hatte ich schon vorher entleert, weil es klar, war, dass das wohl gemacht werden muss. Dann darf man sich natürlich fragen, ob man als kleine Emilia ganze Tische und Fässer aufeinanderstapeln und durch die Flure tragen kann. Ich hatte da schon das Gefühl, die Lösung nicht aus dem Spiel heraus finden zu können und habe ab dann zunehmend den Walkthrough benutzt, weil ich dem Spiel nicht mehr vertraut habe.
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Hannes
BeitragVerfasst am: Mi, 31 Aug 2016 - 17:37  Antworten mit Zitat
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Anmeldungsdatum: 25.03.2010
Beiträge: 660

Den Gesamtblick habe ich jetzt nicht mehr. Ich meinte im Speziellen nur das Fass selber, nicht den gesamten Stapel. Ich habe definitiv geschmunzelt, als ich mich

Spoiler:
in das Fass gesetzt habe


und so nicht rüber kam. Die Lösung

Spoiler:
es zu drehen


empfand ich als sehr organisch und gut motiviert.

Aber ist eine Spezialbeobachtung. Das ist natürlich trotzdem weit von dem von dir gewünschten großen Wurf.
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stadtgorilla
BeitragVerfasst am: Mi, 31 Aug 2016 - 21:29  Antworten mit Zitat
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Anmeldungsdatum: 04.04.2011
Beiträge: 785

Ok ja das ist recht nett.

Der große Wurf muss es aber nicht sein, das ist recht utopisch; ich gebe mich auch mit kleineren Brötchen zufrieden, wenn sie fein gewürzt sind;-)
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