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frob
BeitragVerfasst am: Mo, 17 Nov 2003 - 18:26  Antworten mit Zitat
Neuling
Neuling


Anmeldungsdatum: 29.09.2003
Beiträge: 13
Wohnort: Bayreuth

Standard Disclaimer 1: Alles meine eigene Meinung. Deine wird mit
Sicherheit abweichen.

Standard Disclaimer 2: Keiner der Autoren hat mir irgendeine
Vergünstigung angeboten oder gewährt. (Das soll aber niemand davon
abhalten, es noch zu tun!)

Vorbemerkung 1: Ich kommentiere hier nur die Spiele, die mir
überwiegend gefallen haben. Die Reihenfolge ist zufällig. Ich konnte aus Zeitgründen auch nicht alle spielen, von den ersten 10 fehlen mir fünf.

Vorbemerkung 2: Etwaige Multimediainhalte von Spielen bleiben völlig
unberücksichtigt. Ich bin Textadventure-Purist und verwende
Konsoleninterpreter.


Nun aber zur Sache:

* The Adventures of the President of the United States (apus.acd)

Kurzinhalt: Der Präsident besteht eine Reihe haarsträubend lustiger
Abenteuer.

Das Spiel ist mit dem unter finnischen Autoren offenbar verbreiteten
System ALAN verfasst, worunter an manchen Stellen die Spielbarkeit
etwas leidet; Alan hat wohl noch nicht die Mächtigkeit von TADS oder
Inform. Sonst ist die Programmierung solide; obwohl eine Hilfefunktion
fehlt ("You need no help. You are the President of the United States
of America." :-), kann man sich im Spiel kaum verlaufen. Die Rätsel sind
allerdings im besten Fall mit dem Wort 'launenhaft' zu bezeichnen.

Nicht launenhaft, sondern launig ist der Ton und der Inhalt des
Spiels. Seit den Tagen von Infocom selig habe ich nicht mehr so
gelacht, auch wenn (oder gerade weil?) ein Standardklischee das andere
jagt. Die Sache gipfelt, wie anders, in Finnland und mit dem
befreienden Ausruf: "Korkinavaaja!" Leider ist das Spiel viel zu kurz
und hat ein schon fast zerstörend abruptes Ende. (Wahrscheinlich fiel
dem Autor nichts mehr ein. Schade.) -- Dennoch: Jeder sollte dieses
Spiel haben -- und ein Korkinavaaja zur Hand.


* Sardoria (sardoria.acd)

Kurzinhalt: Ein Bauernjunge rettet den König und das Reich.

Das zweite Spiel eines finnischen ALAN-Autors glänzt durch eine
vorbildliche Benutzerführung: Zwar hat es zwei (in Worten: zwei!)
Labyrinthe aufzuweisen, lässt den Spieler aber dennoch nicht
irregehen. Außerdem gibt es noch gute Hints und eine in das Spiel
integrierte, abschnittsweise Walkthrough-Funktion. Letztere baut
allerdings darauf auf, dass das Spiel streng einlinig ist und dem
Spieler keinerlei Freiheiten lässt. Die Rätsel sind dem Ambiente
angepasst, leicht bis mittelschwer, aber durchaus ansprechend und
gehaltvoll.

Anders die Handlung, die eigentlich nur daraus besteht, bis zum König
vorzudringen, ohne einer Wache zu begegnen. Auch das Ambiente reißt
sicher niemand vom Hocker (IKEA-Katalog: Königsschloss, einfache
Standardausführung für kleinere Königreiche). -- Dennoch ist das Spiel
insbesondere für Anfänger uneingeschränkt empfehlenswert.


* Shadows On The Mirror (shadows.t3)

Kurzinhalt: Entführer und Entführte in einem Auto -- aber wer führt
wen?

Das Spiel ist solide programmiert; alles findet in einem Raum statt
und betrifft die hauptsächlich verbale, aber auch nonverbale
Interaktion der vom Spieler geführten Protagonistin mit dem NPC, der
sie -- im Auftrag eines großen Bösen -- entführt hat. Das Spiel ist
erzählungsorientiert statt rätselorientiert; es enthält eigentlich nur
ein faires Rätsel, dessen Lösung offensichtlich ist, wenn man
draufkommt (ich bin gescheitert). Die Hilfefunktion ist -- trotz eines
siebenstufigen Hinweises -- unflexibel; entweder man erfährt nichts,
oder man bekommt die Lösung an den Kopf geworfen. (Vielleicht war ich
aber auch nur zu dumm -- oder zu eingeschüchtert -- die Hinweise 1 bis
6 zu verstehen.)

Die Handlung spielt vor dem Hintergrund einer zukünftigen
(dystopischen?) Welt, die nirgendwo auch nur ansatzweise erklärt wird.
Einerseits erzielt die Autorin dadurch eine unnachahmliche Stimmung;
das wirkt aber nur, solange man es nicht hinterfragt. Andernfalls
läuft es zu sehr auf Lichtenberg hinaus: "Er hatte ein kleines Stück
auf der Finsternis spielen gelernt." -- Davon einmal abgesehen,
handelt es sich um lesenswerte interaktive Belletristik. Die Personen
haben Tiefe, ihre Äußerungen und Handlungen sind stimmig, ihre
Beweggründe wirken nachvollziehbar, nicht aufgesetzt. Ein etwas
weniger schlechtes Wetter hätte es aber möglicherweise auch getan.


* Baluthar (baluthar.z5)

Kurzinhalt: Höhlenkrabbler. Allerdings hebt der Spieler keinen Schatz,
sondern den irregeleiteten Sohn aus der Patsche.

Ein kurzes, leichtes Spiel mit stimmigen, wenn auch an manchen Stellen
schon leicht angeschlagenen Rätseln. Die Programmierung ist solide,
teilweise aber unnötig umständlich (einzelne Körperteile von lästigen
Käfern -- brr). Die Hilfefunktion ist vorbildlich; mit
situationsabhängigen Hinweisen steigender Direktheit.

Die Höhle ist handwerklich in Ordnung und nicht zu langweilig. Die
Handlung ist -- fast -- klassisch einfach: der Protagonist entdeckt,
dass sein Sohn sich wider alle Vernunft in eine Höhle unter dem alten
Brunnen begeben hat und stürzt sich wider alle Vernunft hinterher, um
ihn zu retten. Allerdings hat die Geschichte auch noch eine Moral
(Rachedurst führt zur Selbstzerstörung), die außer am Anfang und am
Ende des Spiels keine Erwähnung findet; so einerseits das
Spielvergnügen nicht beeinträchtigt, andererseits zur sittlichen
Weiterentwicklung des Spielers wahrscheinlich wenig beizutragen
geeignet ist. -- Gut geeignet ist das Spiel für Anfänger oder -- da
PDA-fähig -- für zwischendurch.


* Cerulean Stowaway (stowaway.gam)

Kurzinhalt: Erst versucht man alles, um als blinder Passagier ins
Raumschiff zu kommen, dann alles, um heil wieder herauszukommen.

Ein klassisches Rätselspiel mit gut in die Handlung eingepassten,
mittelschweren bis komplizierten Rätseln. Die Programmierung ist
fehlerfrei und detailreich, die Hilfefunktion an manchen Stellen etwas
dünn. Es ist leicht, in einem nicht mehr gewinnbaren Spielstand
hängenzubleiben, ohne es zu merken, insbesondere weil die Zahl der
Objekte hoch und die Tragekapazität des Spielers begrenzt ist. Kein
Spiel für Anfänger. Zudem ist die Programmierung nicht fehlerfrei.

Der Anfang des Spiels aber hat mir gefallen: Der Vorsitzende des
Ceruleaner-Fanclubs versucht eine -- nur auserlesenen Personen
vorbehaltene -- Passage zur Heimatwelt der Aliens zu erschleichen. Der
Spieler wird auf dem Schiff aber ebenso herb enttäuscht wie die
Spielfigur: Die Handlung ist eine SF-Seifenoper von der schlechteren
Sorte; platt wie ein ceruleanischer Hamburger. Die Aliens sind
konisch, haben Tentakel und unakzeptable Tischmanieren. Das Ambiente
allerdings ist besser gelungen; es entsteht richtige
Raumschiffatmosphäre. -- Für Rätselspielfreunde, die weniger auf die
Handlung schauen, sicher eines der interessanteren Spiele dieses
Wettbewerbs.


* Domicile (domicile.z5)

Kurzinhalt: Ein Spukhaus voller seltsamer Objekte und bezugsloser
Rätsel wartet auf den völlig ahnungs- und planlosen Erben.

Seltsam, dass solche Spiele immer noch geschrieben werden; noch
seltsamer, dass sie Anklang finden. Bei mir scheint es derart zu
wirken, dass der Autor im Vorwort nur H. P. Lovecraft zu erwähnen
braucht, schon bin ich auf der Suche danach, welche Orte und Objekte
diesen Etikettenschwindel rechtfertigen könnten. (Der letzte Satz ist
selbstwidersprüchlich).


* Erudition Chamber (erudite.gam)

Kurzinhalt: Eine esoterische Meisterprüfung: Vier Rätsel mit
vierfältigen Lösungsmöglichkeiten.

Die Rätsel sind durchweg leicht, aber ansprechend und elegant
konstruiert. Jedes hat verschiedene, weitgehend voneinander
unabhängige Lösungen. Freas schafft es, dass man ihm sogar ein (ein)
"Rate-das-Verb" nicht übelnimmt. Die Programmierung ist sauber, das
Spiel ist eine reine Freude, aber natürlich viel zu kurz. Hinweise
enthält das Spiel nicht, aber der Walkthrough ist gut geschrieben.

Rätsel und Handlung fügen sich zusammen, denn die Rätsel _sind_ die
Handlung. Der Spieler kämpft um die Aufnahme in einen Meistergrad
seines Ordens; er bestimmt den Ausgang dadurch, _wie_ er die Rätsel
löst. Die Beschreibungen sind allerdings eher technisch nüchtern als
stimmungsvoll. -- Einsteiger mögen bestimmt die leichten und fairen
Rätsel; bei erfahrenen Maestern läßt eher die Struktur des Spiels den
flow aufkommen.


* Episode in the Life of an Artist (artist.gam)

Kurzinhalt: Jemand löst das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit
auf wahrhaft 'grauenvolle' Weise.

Die Rätsel sind leicht, das Spiel ist fast schon "rätsellos" zu
nennen. Die Programmierung ist nicht fehlerfrei; der Autor scheint
ein- und ausschaltbare Objekte nicht zu "können" (ich kann nicht
beurteilen, wie schwer das in TADS ist). Leider stört das den Anfang
und entscheidend das Ende des Spiels.

Die Handlung ist -- bis auf die zweite Szene im Bus -- nicht
sonderlich originell: Geh' zur Arbeit, werde wegrationalisiert,
erkunde die Räume hinter der verschlossenen Tür, besiege das
Monster. Der Ton ist angemessen lakonisch, mit einigen Anspielungen an
Zork (dort ist auch das Monster entlehnt); das beste an der
Geschichte. -- Wenn die Fehler beseitigt werden, ein brauchbares Spiel
für Einsteiger.


* Slouching Towards Bedlam (slouch.z5)

Kurzinhalt: Bedlam heißt übersetzt etwa "Klapse". Der _mit_ dem
Schlüssel ist der Arzt.

Das Spiel ist solide programmiert, die mittelschweren Rätsel fügen
sich harmonisch in die Spielwelt ein. Die Hinweise sind gut gemacht, außerdem läuft ein "Helferlein" immer mit.

Die Handlung spielt in einer seltsam technisierten viktorianischen
Epoche, die der Autor stimmungsvoll zum Leben erweckt. Nicht zuletzt
deswegen hat das Spiel völlig verdient gewonnen.
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